Der Schrei

Der Schrei
Unser Plätzchen auf dem weitläufigen Parkplatz mitten im Wald stellt sich am Morgen bei Sonnenlicht als recht nett heraus. In der Sonne werden Tisch und Stühle für ein gemütliches Frühstück heraus gestellt, das nur kurz von drei zahnlosen jungen Leuten unterbrochen wird. Der Parkplatz gehört zu einer Gedenkstätte. Unweit befindet sich eine Bahnlinie, an der es 1989 zu einem schrecklichen Unglück, einem der größten in der Sowjetzeit, gekommen ist, bei dem über 500 Menschen, darunter jede Menge Kinder, den Tod fanden. Eine nahe Gasleitung explodierte aufgrund eines Lecks in der Leitung. Und jetzt passierte etwas unserer Meinung nach typisch russisches. Statt nach einem Leck zu suchen, wurde vermutet, dass eine Pumpe defekt ist. Dies war aber eben nicht der Fall.  Und so wurde eine weitere Pumpe eingeschaltet und somit noch mehr Druck aufgebaut. Das ausströmende Gas sammelte sich in einer Senke, in der zwei Züge vorbeikamen, wo es dann zu einer gewaltigen Explosion kam, in der viele Menschen qualvoll verbrannten. Heute erinnert eine Stele an den Vorfall, jedoch macht das ein wenig überwucherte Denkmal umgeben von hohen Wiesenblumen und Tannen, das genau an der Bahnlinie bei Kilometerpunkt 1710 gelegen ist, auch den Eindruck des Vergessens.
 
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Tja, und dann geht es wieder auf den Rückreiseweg ... viele ereignislose Kilometer wollen bzw. müssen wir nehmen. Viele Felder fliegen an uns vorbei, hier wird wie schon zu Sowjetzeiten ausgiebig Landwirtschaft betrieben. Am schönsten leuchten natürlich die Sonnenblumenfelder. Pause muss bei der vielen Fahrerei natürlich auch sein. An einem Feldrand befeuern wir die Pfanne und machen uns mal wieder Eierpfannkuchen, dass ist einfach und die Dinger sind immer wieder lecker. Der Ural ist rohstoffreich und so tauchen irgendwann auch wieder die ersten Erdölfördertürme auf. Später werden es mehr, stehen mitten auf den Felder und der Bauer zieht mit seiner Landmaschine daran vorbei. Auch Raffenerien sind immer mal wieder in einiger Entfernung von der Straße zu sehen, meist ist dies mit Gestank verbunden, der bis ins Auto dringt.
 
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Und am Abend geht es wieder auf die Suche nach dem optimalen Nachtlager. Auf der Karte haben wir unweit der M5 einen Fluß mit einem kleinen Wasserfall entdeckt. Der Platz ist schön, nur schöne Plätze kennen auch die Russen und die waren vor uns da. Etwas weiter finden wir eine Lichtung im Wald, auf der wir uns zu Fuß noch ein wenig umschauen. Und siehe da, das erste Reh, das uns jemals in Russland über den Weg gelaufen ist, steht vor uns. Wir nehmen ein komisches technisches Ding auf der Lichtung in AUgenschein, von dem wir vermuten, dass auch das altes technisches Gerät der Ölförderung ist. Plötzlich ein lautes Geräusch, das aus dem Wald kommt und sich bei uns in Mark und Knochen schleicht. Was war das denn? Wir schauen uns an und wissen es nicht zu deuten. ÄHnlich einem Hund, aber eigentlich auch nicht. Etwas technisches, aber mitten im Wald? Haben wir einen Alarm ausgelöst? Aber auch das ist unwahrscheinlich. Kurz danach noch einmal diese Art Schrei, extrem laut kommt es aus dem Wald. Wir sind so erschrocken, dass wir die Beine in die Hand nehmen und zum Auto rennen. Hier wollen wir die Nacht jedenfalls nicht mehr verbringen. Wir fahren den Weg zurück zum Fluß, der Schreck lässt etwas nach. Aber das Geräusch erklären können wir uns nicht. Somit finden wir ein Stück weiter an einem kleinen Tümpel einen Platz für die Nacht, ein paar Mücken begleiten uns und so verschleichen wir uns recht früh in die Koje.