Tiefpunkt
Manche unserer Reisetage sind so randvoll mit Erlebnissen, dass man kaum hinterher kommt, alles Erlebte zu verarbeiten. Der heutige Tag gehört eher in die andere Kategorie der Ereignislosigkeit. Den Morgen verbringen wir am Uvs Nuur, geweckt von ein paar kleinen Vögelchen, die auf unserem Auto Fange spielen. Es ist bedeckt, aber warm und windstill. Was fehlt? Naürlich MÜcken, von denen wir lange Zeit verschont geblieben sind. Nach dem Frühstück haben sich an unserem Standplatz so viele von den Stechteilen versammelt, dass wir die paar Meter zum See nicht Laufen, sondern samt Sack und Pack und Auto genau am Ufer stehen. Hier sind es dann doch weniger. Das Wassr, das bei dem gestrigen Wind noch erheblich Wellen schlug, liegt heute fast spiegelglatt da. Man kann meilenweit ins Wasser hineinlaufen und kann immer noch stehen. Nach 100 m ist gerade mal Knietiefe erreicht. Die tiefste Stelle in diesem See mißt gerade mal 26 Meter.
Dann folgen mehr als drei Stunden Ödnis. WIr wollen RIchtung Ulaangom, der 100 km entfernten Aimag-Hauptstadt. Doch dieser Weg zieht sich wie Gummi. Es geht durch eine extrem flasche Ebene. Man könnte auch sagen, der Tiefpunkt unserer Reise durch die MOngolei ist erreicht. Der groeße See und das riesige Becken, in dem er liegt und das sich mehrere hundert Kilometer lang zieht, liegen auf knapp über 700 Höhenmetern. Das ist eine der tiefsten Stellen in der MOngolei. Die Fahrt durch die Ebene ist tatsächlich eben, die Piste führt nicht weit vom Seeufer entlang, jedoch ist alles so flach, dass der See so gut wie nie zu sehen ist. Von unserem Standplatz am See haben wir bereits die Gletscherberge gesehen, die wir erst zwei Tage später erreichen. Nichts, was die Sicht unterbricht. Und dann noch schlechte Wellblechpiste. So geht es stundenlang. Bis ein kleiner Tümpel in der Geröllebene wie aus dem NIchts auftaucht, schilfbewachsen und mit ein paar Enten, die natürlich gleich verschwinden, als wir das Wässerchen umrunden. Kleine Freuden im Nichts, obwohl auch hier Mücken auf uns lauernn. Irgendwann kurz vor Ulaangom überqueren wir noch eine Brücke und befinden uns tatsächlich seit mehreren Pistentagen mal wieder auf Aspalt, der uns noch die restlichen Kilometer in die Stadt begleitet. HIer sind wieder mal ein paar Erledigungen angesagt. WIr finden sogar eine Post, in der wir unsere seit langer Zeit geschriebenen Postkarten los werden. Postkarten zu finden war schon schwierig, Briefkästen gibt es keine in der Mongolei. Ein Mongole erzählte uns sogar, dass es eigentlich überhaupt keinen Briefverkehr in der MOngolei gibt. Also, liebe Postkartenempfänger, wenn die Kärtchen bei euch tatsächlich ankommen, betrachtet dies bitte als etwas ganz Besonderes. Einkaufen, Tanken und jede Menge Telefonate. DIe Ersatzteile für unseren Dachträger wollen geordert werden und kommen jetzt in 10 - 14 Tagen in Novosibirsk an. Zudem soll zu Hause die Stromlieferung gekündigt worden sein. Was so alles passiert, wenn man nicht zu Hause ist ... aber auch das sollte wieder geklärt sein.
DIe Welt ist manchmal aber auch klein. Als wir wieder am Auto sind, spricht uns ein junges Paar an, die unser Auto bereits im Wüstencamp in der Gobi bemerkt und fotografiert hatten. Das ist über 14 Tage und mehr als 2000 km her. Die beiden leben auch noch in Berlin und betreiben dort eine Import-Export-Firma und machen derzeit Urlaub.


Später hat uns die Piste wieder. Und nach einigen Kilometern, einigen Furten - eine davon mehr als 50 m breit - finden wir im nächsten Irgendwo eine Platz für die Nacht bei zornigem Wind.
Der nächste Tag beginnt dann wieder mit Sonnenschein. Der trübe Himmel ist wie weggeblasen und schon sieht die Landschaft viel schöner aus. Ziesel flitzen über die Wiese und verschwinden, als wir aus dem Auto krabbeln. Übrig bleibt nur der Aufpasser, der die ganze Zeit pfeifende Warntöne von sich gibt. Es dauert eine Weile, bis sich seine Kumpels in einiger Entfernung wieder zeigen. Gestern abend hatten wir uns über die vielen großen Löcher und Höhlen im Steppenboden gewundert und diese von der Größe eher einem FUchs zugeordnet. Nun, die kleinen Ziesel brauchen offenbar auch jede Menge Platz.
Die wüstenhafte Landschaft, die durch die wir fahren, ist wunderschön. Viehherden, auch wieder Kamele, wenige Jurten, kaum mal ein Fahrzeug. DIe Berge um uns herum werden wir höher, wir sind inzwischen wieder auf 1500 bis 2000 m unterwegs. Sanddünen, Geröl, bunt gefärbte Berge. Immer wieder kommen wir an einigen Seen vorbei, an denen sich auch die Viehherden abkühlen. Am kleinen Khar Us Nuur spazieren wir zunächst gemütlich am Ufer einer Lagune entlang und flüchten wenig später vor dem schwarzen Gesumms, das über uns herfällt. Immer wieder ist der Ausblick in alle Richtungen zu genießen. An einem Pass mit BLick auf den großen Khar Us Nuur in der Ferne mit einem riesigen grünen FLußdelta machen wir Halt. Ein guter Platz für eine Pause. Der See auf der einen Seite, auf der anderen Seite Berge in rot und grün oder mit Dünensand in den Senken, der fast bis an die Bergspitze reicht. Und über allem trohnt ein strahlend blauer HImmel mit ein paar weißen Wölkchen. Mongolei at it's best - so wollen wir es haben. Wenig später wieder ein anderes Bild. Ein Fluß mäandert durch die Landschaft, Bewässerungskanäle haben wir schon die alten Chinesen gebaut. Und hier wird sogar Landwirtschaft betrieben, eher von den Kasachen als von den MOngolen, die hier - so nah an der kasachischen Grenze - sogar die Mehrheit der Bevölkerung darstellen. Melonen, Kartoffeln, Tomaten udn Gurken sollen hier angebaut werden. Die Melonen werden am Straßenrand zum Verkauf angeboten. Zwei von den runden grünen Bällen wechseln natürlich den Besitzer. Im Fluß, der sich wie ein grünes Bad durch die WÜstenlandschaft zieht, baden KInder und auch wir nutzen das Nass für eine Autowäsche. DIe Dicke wird auf das Kiesbett im Fluß gestellt, wir schnappen uns jeder einen Topf, Schuhe aus und ab geht es. Eine Topffüllung Wasser nach der anderen landet auf der Dicken und nimmt ihr zumindest den Staubpelz ab. Ach ja ... ich hatte vergessen zu erwähnen, der Melonenort Buyant ist nach SÜden zur Aimag-Hauptstadt Khovd an das Asphaltnetz angeschlossen. Mindestens 20 km schwarzes Band liegen also vor uns, dafür lohnt sich das FLußbad. Für ein Bad für uns sind uns aber eindeutig wieder zu viele Mücken vor Ort.
Wenig später sind wir in Khovd, finden den örtlichen Markt für frische Sache, freuen uns über einen größeren Supermarkt, in dem wir mal wieder ein paar Sachen mehr einkaufen können. Wir bummeln über den zentralen Platz, der für diese Kleinstadt ein wenig überdimensioniert wird - wahrscheinlich ein Überbleibsel aus der sozialistischen Ära - und sitzen im Schatten vn Plantanen, die das ganze Örtchen dann doch ganz angenehm wirken lassen.


EIne Regenfront liegt in der Richtung, in der wir später aus der Stadt herausfahren. Wir kommen fast durch, ohne Nass zu werden. Die Pfützen auf der Piste zeugen jedoch davon, dass es kurz zuvor heftig geregnet haben muss. Wir schaffen es durch das Regengebiet wieder in die Sonne, als hinter uns ein zweifacher herrlicher Regenbogen seinen vielfarbigen Bogen spannt. Im Schutz eines HÜgels bleiben wir stehen, nichts und niemand ist um uns herum. Nur MÜcken, aber wir haben ja unseren Mückenschutz, den wir am Abend seit langem mal wieder aufbauen müssen. So geschützt lässt sich dann auch der kitschig schöne Sonnenunterang beobachten.

