Naadam

Naadam

Hmmm ... ganz schön bedeckt heute morgen. Als wir losfahren, zeigt uns das Autothermometer gerade mal 9 Grad an. Dennoch genießen wir erst einmal unser Frühstück und wundern uns erneut, warum so viele Autos schon wieder in das Tal neben uns fahren. Laut unserer Straßenkarte geht die Piste dorthin noch ca. 2 km und endet dann im Nichts, und fast keiner benutzt die Hauptpiste, die um den See herumführt. Wenig später sehen wir von unserem erhöhten Platz auf dem Hügel, dass dort ein Pferderennen gestartet ist. Aber der Zieleinlauf kann nicht in der Nähe eines Ortes sein, denn dort ist ja schließlich keiner. Als wir losfahren und den Taleingang erreichen, entschließen wir uns kurzfristig, unserer Neugier nachzugeben und ein wenig in das Tal hineinzufahren. Schwupps, noch schnell über eine Furt und dann rein ins Tal. Weit müssen wir dann gar nicht, denn nach 2-3 km sehen wir eine größere Ansammlung von Autos, Pferdetransportern, Zelten und Menschen - absolut im Nirgendwo auf einer grünen Ebene, rechts Berge, links Berge und mittendrin ein kleines Bächlein. Na schau mal einer an, kommen wir doch gerade recht zu einem Spektakel. Wir parken unsere Dicke, wie alle anderen auch, mitten auf der Wiese, schnappen uns den Fotoapparat und gehen auf Erkundungstour zwischen den Leuten und den Zelten. Wir sonst auch, erkennt man uns als nicht mongolisch, schaut uns an, grüßt freundlich und winkt. Teppiche werden verkauft, Getränke und typische mongolische Gerichte (und das schon so früh am Morgen) Oft genug hören wir auch ein "Hello" (wobei uns das mongolische "Guten Tag" noch immer nicht über die Lippen kommt, wir haben gerade mal "Danke" und "Auf Wiedersehen" gelernt). Inmitten der kleinen Zeltstadt gibt es auch einen abgetrennten runden Bereich. Hey, sind wir etwa auf einem kleinen Mini-Naadam gelandet und können neben dem Pferderennen jetzt endlich mal die beiden anderen Disziplinen Ringen und Bogenschießen bewundern?? Es hat fast den Anschein, und wir freuen uns, schließlich sind wir in Karakorum wegen der dortigen Maul- und Klausenseuche leider nicht den in Genuß gekommen. Wir schlendern zum Ballonwerfen und finden uns sehr schnell in einer größeren Meute von Kindern und Erwachsenen. Ein junges Mädchen spricht uns auf englisch an und fragt, wo wir herkommen. Schnell umringt uns die ganze Familie und die Elfjährige, die einige englische Sätze zustande bringt, muss für die anderen Familienmitglieder übersetzen. Der Pulk löst sich nur langsam auf, und wir schlendern weiter über das Gelände. Viele der Menschen um uns herum tragen typisch mongolische Festkleidung, den Deel, einen langen, oft farbenfrohen Mantel. Viele Männer stecken in feschen (vermutlich Yak-)Lederstiefeln und so manches Weibchen trägt passend farbig zum Deel hochhackige Absätze (noch einmal zur Erinnerung: Wir befinden uns mitten auf einer Wiese, einige Hundert Meter weiter weiden Yaks, Pferde und das sonstige Nutzvieh, das nicht wenig von seinem Kot auf der Wiese hinterlässt). Bei unserem weiteren Rundgang werden wir fast zu jedem Zelt gewunken, bei dem meist mehrere Familienmitglieder auf Campingstühlen oder gleich auf der Wiese herumsitzen. Überall ist eingedeckt, mit Getränken, mit Süßigkeiten und später auch mit warmen Speisen. Meist winken wir nur zurück, wir können ja schließlich nicht bei jedem Zelt anhalten. Aber einigen Einladungen geben wir dann doch nach. Es wird uns immer Airag (die vergorene Stutenmilch) gereicht und aus Höflichkeit nippen wir auch immer an den dargebotenen Schalen. Schmecken tut uns das aber immer noch nicht. Jetzt kommt auch erneut mehrfach die Schnupftabakdose zum Einsatz, die auch wir dabei haben. Scheinbar ist das "deutsche Kraut" dann aber für die MOngolen doch recht gewöhnungsbedürftig, dennoch sind sie sehr an der Flasche und dem Inhalt interessiert. Es macht uns Spaß hier zu sein und die kleinen Bekanntschaften zu machen. Einmal tappen wir jedoch in eine "Touristenfalle". Wieder werden wir heran gewunken und man zeigt uns eine große Milchkanne. Wir wehren erst ab, nicht schon wieder Airag. Ein Blick in die Kanne lässt uns jedoch erkennen, dass dort kein Airag enthalten ist, sondern ein Gemisch aus Kartoffeln, Möhren, Fleisch (mit viel Fett, wahrscheinlich vom Fettschwanzschaf) und Soße. Ok, wir lassen uns nicht lumpen, eine kleine Portion darf es sein. Und, was soll ich sagen, das ganze ist lecker und gut gewürzt und auch das fette Ende des Fleischs kriegen wir herunter. Auch hier geben wir die Schnupftabakflasche herum, die wieder bewundert wird. Wir verabschieden uns - das macht dann 3000 Tugrik - ups, bezahlen? Offenbar hat die Gastfreundschaft hier einen Preis. Nun ist das nur ca. 1 Euro, aber verwundert waren wir schon. Wenig später kommt wieder das elfjährige Mädchen bei uns vorbei, die Familie bittet uns doch auch noch zu sich an den Tisch. Ein junger Mann aus dieser Familie spricht ganz gut englisch, genauso wie noch ein 10jähriger aus diesem Clan. Alle zusammen erklären uns dann erst einmal den Sinn des hiesigen Zusammenkommens - es ist ein Familienfest, das nur alle 4 Jahre stattfindet, aber auch mit Musik, PFerderennen und Ringen. Na, das ist uns auch sehr recht und so entscheiden wir, noch weiter zu bleiben. Die Gastfreundschaft, die uns entgegen gebracht wird, wollen wir natürlicht nicht unbeantwortet lassen und verteilen zumindest an die Kids Geschenke, die wir dabei hatten. Stifte, Luftballons und Kinderschokolade kommen gut an und gehen aber auch wie warme Semmeln weg, da zu "unserer Gastgroßfamilie" allein schon acht Kinder gehören. Später, als wir am Auto stehen, kommt sogar noch einmal eine Mutter mit ihrer Tochter am Arm vorbei und fragt auch noch nach Malstiften. Sie hat Glück, und wir können aus unserem Fundus noch drei bunte Stift hervorzaubern und die Kleine, die zuvor mit Tränen kam, wieder zum Lachen bringen. Wenn doch alles so einfach wäre.
 
20180727 DSC0866720180727 DSC08670
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Zwei Stunden später tut sich dann auch am MIttelkreis etwas. DIe Altvorderen bzw. wichtig Aussehenden nehmen Platz und wir tun es denen gleich. DIe Menschenmasse nimmt ihre Stühle und umringt den Kreis. Ein dicker MOngole im leuchtend roten Deel macht per Mikrophon eine Ansage. Wenig später ziehen mehrere Ältere mit einer Art Familienwappen im Kreis umher. Musik läuft erst vom Band, dann wird uns Kehlkopfgesang und die PFerdekopfgeige zum Besten gegeben.
Nach dem ganzen Vorspiel treten dann auch die Ringer in die "Arena". Wir haben das Angebot einer Teilnahme am Ringen dankend abgelehnt und schauen lieber zu. Die meisten Männer treten in der typischen Kleidung an - Lederstiefel, an knappes Höschen, das an WIndeln erinnert und eine Art Bolerojäckchen genschnürt. Der Kampf erfolgt natürlich nach einem speziellen Ritual. Es gibt Adjudanten, man muss einen Kopfbesatz tragen, der vor dem Kampf aber abgenommen wird und jeder Ringer stellt sich durch den sogenannten Adler-Tanz dem Publikum vor (wie der funktioniert, zeigen wir Euch in Deutschland gern einmal). Da mehrere Zweikämpfe auf einmal stattfinden, verlieren wir schnell den ÜBerblick. DIe meisten Kämpfe sind jedoch schnell vorbei. SIeger ist am Ende einer großer, sehr kräftiger Mongole.
 
20180727 DSC0869320180727 DSC08730
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Es ist Nachmittag, als wir den Festplatz verlassen. Im Auto sitzend sprechen wir noch lange über das soeben Erlebte udn freuen uns, unserer morgendlichen Neugier nachgegeben zu haben. Zudem kam am MIttag die Sonne hervor ...
Wir fahren weiter am See entlang in herrlicher Umgebung. Ein Pass, den wir überqueren, liegt bei 2600 m, und hier ist es ziemlich kühl. Irgendwann erreichen wir wieder das frische Asphaltband und cruisen in ca.  2000 m Höhe durch Alpenpanorama - soooo schön. Weit kommen wir heute nicht mehr. Noch eine Polizeikontrolle an einem Posten, wo wir erneut über eine Desinfektionsmatte fahren müssen (gibt es auch hier wieder die Maul- und Klauenseuche??), alles ok, wir können weiter. Am Straßenrand steht ein kleiner Junge, der selbst gesammelte Stachelbeeren verkauft (ein ganzes Glas für ca. 1,50 EUR). DIe nehmen wir mit und sichern so auch gleich unser Abendmahl - Griesbrei mit Stachelbeeren, mal ganz was anderes in der fleischlastigen Mongolei. An den nächsten Kindern, die am Straßenrand stehen, müssen wir dann vorbei fahren - so viele Stachelbeeren können wir nicht verdrücken.
EInen Standplatz für die Nacht finden wir dann direkt am Fluß Ider. Hier haben sich, wie an vielen Flüssen, einige Nomaden niedergelassen. Besuch bekommen wir dennoch nicht, die HIrten sind vielmehr mit ihren Herden am Abend beschäftigt. So genießen wir einen herrlichen Sonnenuntergang und in der Nacht auch noch eine vollständige Mondfinsternis ...