Vulkangebiet
Drei Tage hatte die Dicke uns mit ihren Sorgen in Beschlag genommen. Derer hatten wir uns angenommen, und so wird sie uns hoffentlich jetzt wieder so gut durch die Lande schaukeln wie bisher. Das macht uns und wohl auch der schnurrenden Dicken viel mehr Spaß.
Spaß hatten wir heute morgen schon nach dem Frühstück. In der Nacht hatte es heftig geregnet, doch der Morgen begrüßt uns mit einem herrlichen Sonnengruß. Ganz gemütlich machen wir uns ans Frühstück, haben wir doch in den letzten Tagen genug Stress gehabt. Als wir einräumen, kommt Vater und Mutter vom Zelt von nebenan mit einem kleinen Gruß aus Leckereien und Milchtee zu uns. Gestern Abend waren wir wenig begeistert, dass sich die Familie so nah an "unseren" Fluß platzierte, obwohl ringsherum sooo viel anderer Platz zur Verfügung stand. Gestört hatten sie uns natürlich nicht, nur sind wir Europäer wohl nicht so die Näheliebenden ...;-) Es ergab sich ein nettes Beisammensein, obwohl eigentlich keiner den anderen besonders gut verstand. Das erste Mal kam dann auch der Austausch der Schnupftabakflaschen zustande (das ist Brauch in der Mongolei, wenn man zu Besuch kommt, wobei man nicht zwingend den Schnupftabak zu sich nehmen muss, sondern es genügt der Höflichkeit, wenn man an der Flasche riecht). Dass man als alter Bergmann überhaupt so ein Fläschchen dabei hat, dafür hatten wir ja dann mehr als ein Jahr Vorbereitung. 20 Minuten später war unsere Nachbarsfamilie dann beim Frühstück im Schatten ihres Autos, während wir unsere restlichen Sachen einpackten. Natürlich nutzten wir dann auch noch den Fluß für ein ausgiebiges Bad - das Wasser reichte ja schließlich bis zu den Waden.
Eine landschaftlich besonders schöne Strecke mit mehreren Highlights lag heute vor uns. Unser erster Höhepunkt war natürlich der Asphalt, der unter unserer Dicken lag, obwohl laut allen uns zur Verfügung stehenden Karten Sandpisten vor uns liegen sollten. Drei Kilometer nach dem Losfahren dann das erste Hindernis - eine Brücke - und eine Hirte mit seiner großen Schafherde, die offenbar nicht Willens war, sich über diese Brücke treiben zu lassen. Immer wieder bockten die Viecher, stiegen sogar aufeinander, wenn es sich auf der Brücke staute. Der Fahrer im Auto hinter uns ergriff beherzt die Initiative und scheuchte mit. Da lassen wir uns natürlich nicht lumpen, also raus aus dem Auto, erst mal ein paar Fotos geschossen, und dann Hände wedelnd und schaftreibende Laute ausstoßend waren wir natürlich eine große Hilfe für den Hirten, logisch ...;-) Ja, nach den letzten Chaostagen macht es Spaß, wieder unterwegs zu sein und sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren.


Die Straße erreicht irgendwann den Fluß Chuluut und führt an ihm entlang. Aufgrund seines großen Gefälles auf seinen 415 km hat der Fluß an eigenen Stellen einen tiefen Canyon gegraben. Wir verlassen die Hauptstraße und nähern uns langsam der Kante des Canyons, schreibt doch unser Reiseführer, dass die Straße noch vor einigen Jahren so nah an der Kante entlang führte, dass immer wieder Autos vom Weg abkamen und in die Schlucht stürzten. Geschafft, wir stehen unversehrt an der Kante und wagen einen Blick auf das ca. 200 m unter uns liegende Flußbett. Es ist eine schöne Umgebung, der Canyon mit Tiefblick, die Gesteine, die Lärchen, grüne Hügel und strahlend blauer Himmel, an dem wie immer tieffliegend jede Menge Raubvögel unterwegs sind. Ein paar hundert Meter weiter auf der gegenüber liegenden Straßenseite steht der Baum mit 100 Zweigen, ein spiritueller Ort für den, der's mag. Genauer gesagt, sind es zwei Bäume, die über und über mit Gebetsschals und -tüchern und anderen Opfergaben bestückt sind, eine tote Lärche mit vielen Ästen und eine solche, die noch lebt. Die Spiritualität springt zwar nicht auf uns über, schön und interessant anzusehen ist das Ganze trotzdem.
Auf dem weiteren Weg zeigt sich die Mongolei weiter wie aus dem Bilderbuch - die Entscheidung für diese nördliche Route Richtung Westen war sicher nicht die verkehrteste. Mal schönstes Alpenpanorama mit Lärchenwäldern, mal kahl und felsig wie in Schottland oder Island - und über allem herrlichster Sonnenschein. Wir sind ohnehin derzeit fast ständig auf 2000 m Höhe unterwegs.


Weit wollen wir heute nicht, unser Tagesziel ist der Khorgo Terkhiyn Tsagaan Nuur Nationalpark, hier gibt es genug zu sehen, denn hier liegt ein altes Vulkangebiet. Wir fahren - oder bessern holpern - bis zum Khorgo-Vulkan. Die Strecke dorthin ist mal wieder katastrophal und erneut staunen wir, dass die Mongolen, die hier heute reichlich unterwegs sind, die Strecken mit ihren ganz normalen PKW bewältigen und wir mit Allrad vorsichtigst über Lavafelder und tiefe Schlammlöchern torkeln. Irgendwann kommen aber auch wir am Fuß des Vulkans an. Dort, wo viele Menschen unterwegs sind, also auch hier, stehen - wie in Deutschland auch - Verkaufsstände, die Essen und Getränke feilbieten. "Cold Ice" wird angepriesen - oh yeah, wir kaufen das mongolische (anstatt des ebenfalls angebotenen russischen), wickeln es erwartungsvoll aus dem Papier, beißen hinein und ... suchen den nächsten Mülleimer. WIr vermuten, das Eis wurde aus Ziegenmilch oder vergorener Stutenmilch hergestellt - egal, es war nicht zu genießen. Und so besteigen wir eislos den Vulkan und blicken oben angekommen in den Krater mit Geröll und einem kleinen Lärchenwald. Von hier oben hat man auch einen schönen Blick auf das Lavafeld, durch das wir eben gekommen sind und auf den See, an den wir noch wollen. Doch zuvor machen wir noch Halt an zwei Lavahöhlen, wie wir sie aus Island in ähnlicher Form schon kennen. Meist sind das eingestürzte Lavakanäle, in einer der Höhlen befindet sich noch etwas Eis. Einige Kilometer Rumpelstrecke später erreichen wir den Terkhiyn Tsagaan Nuur - für viele einer der schönsten Seen in der Mongolei. Von der Lage her können wir das schon bestätigen. Hohe Berge, mal mit Lärchenwald bestanden, mal kahl, Jurten (auch viele Jurtencamps), Tierherden, Lavasteingebilde - alles ist schön für's Auge.


Hier wollen wir die Nacht verbringen und fahren an den vielen Jurtencamps vorbei, die am Ufer liegen. Trotz Sonnenschein weht ein scharfer Wind und die Temperaturen sind auch nicht mehr so hoch. Ein kleiner Hügel soll unserer sein, von hier aus können wir weit nach allen Seiten Ausschau halten und bis ans gegenüber liegende Ufer blicken. Außerdem tummeln sich die niedlichen Ziesel hier herum. Alles schick, nur der olle Wind nimmt noch mehr zu. Als die Sonne weg ist, wird es zudem erstaunlich kühl, unsere Fliesjacken hatten wir lange nciht an. Und so wird das Gulasch ziemlich schnell verdrückt und danach verziehen wir uns an einen windstillen, warmen Ort - unser Bettchen im Auto. Von hier aus beobachten wir noch eine ganze Weile das Treiben um uns herum, Autos fahren vorbei (warum eigentlich so viele?), Mopeds auch, Schafe und Ziegen trabbeln von links nach rechts, Pferde und Yaks von rechts nach links, hier leuchtet ein Licht, dort baut auch noch jemand sein Zelt - es ist immer etwas los, wenn man aus dem Fenster schaut ...