Neustart
So windig der gestrige Abend war, so ruhig war der Morgen. Aber das sollte nur die Ruhe vor dem Sturm sein. Nach dem entspannten Frühstück fahren wir los und wenige Kilometer später meldet sich die Dicke mit der Ladekontrollleuchte. Ein Blick auf die Ladeanzeige der beiden Batterien, erwartungsgemäß: Starterbatterie voll, Zusatzbatterie mittelprächtig. Ein Blick unter die Motorhaube; Kontrolle, ob der Antriebsriemen noch da ist und sitzt. Sitzt, scheint nicht durchzurutschen, dennoch beträgt die Ladespannung nur 12,7 Volt (laut Diagnosestecker, wieso ist eigentlich auch noch JETZT die Batterie vom Multimeter leer? Zuhause gings noch). Mit etwas Paranoia ist zudem ein "elektrischer" Geruch festzustellen. Um Fehler im Zusammenhang mit dem Doppelbatteriesystem auszuschließen, klemme ich dieses ab. Keine Veränderung. Grob geschätzt kommen wir bei voller Starterbatterie vielleicht 2 oder 3 Stunden weit. Das reicht, um bis in den nächsten Ort zu kommen. Also ab ins Auto und los. Auf den rund 40 Kilometern springt die Ladespannung zwischen 12,7 bis 12,9 und 13,3 bis 13,6. Bei letzterem geht auch die Kontrollleuchte wieder aus. So erreichen wir Bayankhongor. Dort angekommen, erstmal einen 9V-Block besorgen für das Multimeter. Mehrere Messungen mit und ohne Doppelbatteriesystem ergeben kein wirklich klares Bild. Ich halte einen Schaden der Lichtmaschine für möglich. Wir gehen die Optionen durch, die wir haben. Hier im Ort wird uns kaum jemand helfen können, da hier keine Ersatzteile zu bekommen sind. Weiterfahren? Der nächste Ort, in dem wir gegebenenfalls auch Ersatzteile bekommen, wird wahrscheinlich dann schon in Russland liegen (knapp 2000 km), und wir haben ja auch im Nord-Westen der Mongolei noch ein bisschen was vor. Zurück nach Ulan Bator? Dort haben wir einen deutschen Kontakt. Dort besteht zumindest die Chance auf Ersatzteile. Nach einigen Telefonaten steht fest, es geht 650 km zurück in Hauptstadt (diese Entscheidung macht keine wirkliche Freude) - sofern die Dicke mitspielt. Glücklicherweise ist die gesamte Strecke asphaltiert und auf dem größten Teil auch vernünftig befahrbar. Wir fahren, bis es zu dunkel wird (im Dunkeln ist Fahren wegen der Löcher im Asphalt lebensgefährlich) und landen an einem Dünenfeld, welches wir schon von 2 übernachtungen her kennen. Hier steht jetzt allerdings sehr viel Wasser. Während wir in der Gobi waren, muss es hier also kräftig geregnet haben. Bis UB sind es von hier noch 280 km. Die DIcke wechselt weiterhin ihr Ladespannung in Stufen, wie sie gerade lustig ist - irgendwas stimmt nicht und die Entscheidung, nach Ulan Bator zu fahren, wohl die richtige.
Früh am Morgen, ohne Kaffee, schnelles Müslifrühstück und weiter. Wir wollen gegen Mittag am westlichen Ende von Ulan Bator sein. Dort ist die Werkstatt, zu der Frank uns vermittelt hat. Auch wenn 280 km sich nicht viel anhören - in der Mongolei zieht sich eine solche Strecke. Auch die asphaltierten Straßen sind nur einspurig. Bei viel LKW-Verkehr ist das Überholen manchmal langwierig. Aber wir sind früh genug losgefahren, um tatsäclich zwischen 11 und 12 Uhr am Ziel anzukommen. Amgaa, Chef der Firma, in der wir jetzt sind, erwartet uns schon, und er spricht deutsch (hat Maschinenbau in Magdeburg studiert). Das macht die Sache für uns natürlich deutlich einfacher. Auch die Mechaniker erwarten uns schon, und ehe wir uns versehen, sind drei Mann mit unserer Lady Helmchen beschäftigt. Die Lichtmachine wird ausgebaut und zum Spezialisten gebracht. Dieser stellt einen verbrannten Abnehmer fest und tauscht entsprechend Teile aus. In der Zwischenzeit wird bei der Dicken dann auch gleich ein Ölwechsel vorgenommen. Der wäre eh spätestens in Novosibirsk auf der Rückfahrt fällig gewesen. Die instandgesetzte Lichtmaschine wird wieder verbaut. Testlauf - zunächst ohne Doppelbatteriesystem. Alles Schick. Müde, aber zufrieden hauen wir uns in die Betten. Die Werkstatt hat für solche Fälle wie uns ein Zimmer mit Dusche und einer kleinen Küche, dessen Nutzung kostenlos ist. Wir nehmen das gern in Anspruch, der Tag war lang - für Körper, Geist und Seele.


Die Nacht war etwas unruhig, die Werkstatt liegt im westlichen Industriegebiet Ulan Bators, daher ist dort auch ab 5 Uhr morgens reger Betrieb. Wir halten es bis 8 Uhr aus. Nach dem Frühstück will ich noch das Doppelbatteriesytem anschließen. Nochmal die Batterie durchgemessen - die ist platt. Wieso hat das gestern keiner mehr festgestellt? Mist. Ich schnappe mir den Mechaniker, der glücklicherweise schon da ist, und wir fahren zu einem Geschäft, um Ersatz zu besorgen. Eine Stunde später ist die Zweitbatterie ausgetauscht und angeschlossen. Noch ein kurzer Test. Alles in Ordnung. Also ab ins Auto und wieder nach Westen. Alles Strecke, die wir schon kennen, Strecke, die wir teilweise schon doppelt gefahren sind.
Eigentlich ist alles gut gelaufen, trotzdem sind wir ein bißchen genervt. Drei Tage werden es am Ende sein, bis wir die Reise an der Stelle wieder aufnehmen können, wo wir sie unterbrechen mussten, und es gibt noch so viel zu sehen im Nord-Westen. Und so fahren wir fast 500 km, bis wir abends an altekannter Stelle unser Zelt aufschlagen. Die Dicke schnurrt wieder wie ein Kätzchen, und wir gehen mit der Hoffnung schlafen, dass wir keinen weiteren Zwischenfall dieser Art hinnehmen müssen.