Erste Schritte

Erste Schritte

Eine leicht unruhige Nacht liegt hinter uns - das mag an den nächtlichen Blitzen in der Ferne gelegen haben, vielleicht aber auch an den neuen Geräuschen, die das neue Land mit sich bringt - mal ein knatterndes Motorrad, bei dem wir erwarten, dass gleich ein mongolisches neugieriges Gesicht in unser Zelt schaut, mal 1000faches Grillenzirpen und Grillensummen, mal ein Vogelzwitschern, das man noch nie wahrgenommen hat, mal Wiehern oder Muhen, mal auch etwas, das man nicht zuordnen kann ...

Eines bleibt - unser morgendliches gemütliches Frühstück, allerdings jetzt ohne Badezimmer, bei dem wir die neue Umgebung auf uns wirken lassen, insbesondere den ständigen Geruch wie im Kräutergarten.
Unser heutiges erstes Ziel liegt nicht weit entfernt, ein Aussichtspunkt bei einer Felsengruppe. So holpern wir die Wege entlang, vorbei an großen Viehherden und Jurten. Kurz vor dem Aussichtspunkt versperrt eine Schnurr mit bunten Bändchen den Weg. Eine Dame hält uns ein Zettelchen durchs Fenster und dann noch vier weitere, auf denen jeweils verschiedene Beträge angegeben sind. Sollen wir etwa für die Aussicht bezahlen? Im übrigen geht laut unserer Straßenkarte der Weg hinter dem Schnürchen auch noch weiter, was hieße, wir müssten auch für's Weiterfahren bezahlen? Wir einigen uns darauf, für einen Zettel zu bezahlen, und zwar für's Parken unserer "Maschina". Die Dicke stellen wir auf dem Parkplatz ab und sehen schon, dass der weitere Weg durch einen Zaun abgesperrt ist. Dann kommt ein Mann in Jogginghose auf uns zu und verlangt unsere "Passport". Häh, warum und wieso fragt gerade der danach? Wir verneinen und gehen an ihm vorbei. Doch wir kommen nicht weit. Ein Uniformierter, wie wir sie bereits bei der Grenzkontrolle gesehen haben, steht vor uns und verlangt ebenfalls nach unseren Pässen. Ok, er scheint ja schließlich offiziell zu sein. Wir geben ihm die Pässe, mit denen er in einem höher gelegenen Gebäude verschwindet. Am Gebäude steht noch ein Uniformierter und schaut in die Ferne. Und da geht dann auch uns ein Licht auf ... der Aussichtspunkt liegt nur ca. 3 km von der russischen Grenze entfernt, wir sind im Grenzgebiet (und haben keine gesonderte Genehmigung dafür,wie auf einem Schild neben uns zu lesen ist). Wir warten, wundern uns über das Gemisch von Gebührenschinderei für den Aussichtspunkt und einem offiziellen Grenzbereichsposten und können bald darauf aber wieder unsere Pässe in Empfang nehmen. Lektion gelernt ... wir sind halt in einem anderen Land mit anderen Sitten.
Vom Grenzbeamten erhalten wir das GO für das Betreten des Aussichtspunktes. Wir erklimmen die Felsengruppe, auf der schöne Picknickplätze hergerichtet sind und genießen die Aussicht ins Tal. Nach etwas Rechnerei entscheiden wir zudem, der Dame am Eingangsschnürchen ihre restlichen Zettelchen abzunehmen (die wahrscheinlich zum Besuch der ersten und zweiten Etage der Felsengruppe berechtigen, also vier Zettelchen bei zwei Personen ..;-). Jedes Zettelchen hat einen Wert von ca. 0,35 EUR, und da lassen wir uns doch nicht lumpen. Die Frau schaut etwas verwundert, als wir ihr das Geld nun doch noch in die Hand drücken ...
Auch bei der nächsten Sehenswürdigkeit löhnen wir, aber dieses Mal nur nur einmal 1000 Tugrik (also 0,35 EUR). Dafür bekommen wir den "Mutterbaum" zu sehen, in den Augen der Mongolen ein heiler Baum, in dem ein weiblicher Geist wohnt. Gegen kleine Aufmerksamkeiten unterstützt der Geist bei der Bewältigung von Alltagsproblemen und bei der Erfüllung von Wünschen. Gespendet wird von den vielen Besuchern alles Mögliche, Kekse, Bonbons, Geld, Reis, Hirse, Milch wird in alle Himmelsrichtungen verspritzt, Kerzen werden angezündet, die blauen Schals sind überall angebunden ... und es stinkt ziemlich bei der "heiligen Mutter", denn über all den Leckereien flattern jede Menge Tauben umher, die das Heiligtum vollkacken.
Wir fahren weiter durch eine schon jetzt großartige Landschaft, Jurten sind wie weiße Punkte über die weite Landschaft verstreut, große Herden von Kühen oder Pferden oder Schafen oder Ziegen, die frei umherstreifen. Wir haben gelesen, dass die Mongolei ca. 3 Mio. Einwohner hat und ca. 80 Mio. Nutzviecher, von denen wir jede Menge zu Gesicht bekommen.
An einer Statue machen wir einen Fotostop und nutzen dann auch gleich die Gelegenheit, das erste Mal die mongolische Straßenküche zu probieren. Mehrere Stände sind an der gegenüber liegenden Straßenseite aufgebaut, die scheinbar alle das gleiche kleine Angebot haben. Aber was bestellen? Wir zeigen, dass wir ratlos sind, im Gegenzug werden uns eine Art Fladen präsentiert. Sieht gut aus ... nehmen wir, jeder zwei. Die Teile entpuppen sich als ein frittiertes Teigteil, das etwas Hackfleisch enthält. Und ... die Dinger schmecken nicht schlecht für den Anfang, und wir sind zufrieden.
 
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Bei unserer Weiterfahrt Richtung Darkhan entdecken wir auf einem Hügel nah bei der Straße eine größere Zahl von Fahrzeugen und Pferden. Was ist da los? Das schauen wir uns mal genauer ist. Wir fahren den Hügel hinauf, vor uns liegt eine weite Ebene. Um uns herum wuselt es, Menschen, Pferde, Verkaufsstände, Imbissstände, Spielflächen - es scheint, als wären wir auf einem kleinen Naadam-Fest, dem Nationalfest der Mongolen gelandet, nur dass dieses erst am 11. Juli beginnt ... also können wir nur vermuten, dass kurz zuvor ein Pferderennen über die Ebene stattgefunden hat, das mit allem Drumherum einem Volksfest gleichkommt. WIr streifen eine Weile interessiert über das Gelände. Eine ältere Frau kommt auf uns zu, möchte fotografiert werden, was wir natürlich gern machen - leider können wir ihr nicht - wie gewünscht - das Foto gleich mitgeben (Hätten wir uns doch noch eine Polaroidkamera zulegen sollen?). Dafür drücken wir ihr eine unserer eigenen Karten mit unserem Konterfei und unserer Reiseplan in die Hand, und das macht sie dann auch glücklich. Sie herzt und gibt noch ein Bussi rechts und links und verschwindet in der Menge ... anders als die Russen scheinen die Mongolen ein neugieriges, offenes und oft lächelndes Völkchen zu sein ...
 
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In Darkhan, der größten Stadt in der Mongolei nach Ulan Bataar, steuern wir einen Laden an, in dem es mongolische Sim-Karten geben sollen, schließlich wollen wir doch den Kontakt nach Deutschland aufrecht erhalten. Den Laden finden wir, und obwohl es Samstag Nachmittag ist, hat er auch geöffnet. Kurz müssen wir uns im Gebäude orientieren, ziehen - wie auf einem Amt - eine Wartenummer und warten ... Als wir schließlich an der Reihe sind, spricht unser Gegenüber dann auch tatsächlich Englisch. Wir bringen unser Anliegen vor und stehen ca. eine Stunde später mit ca. 7 EUR weniger in der Tasche wieder vor der Tür ... das Problem ist, wir wissen nicht genau, für was ...;-) Aber gut ... erst einmal funzt die Internetverbindung und scheinbar haben wir auch ein wenig Guthaben zum Telefonieren ... der Rest bleibt abzuwarten.
Unserer weiterer Weg führt uns nun in Richtung des Klosters Amarbayasgalant, das wir aber wohl heute nicht mehr erreichen werden. Die Asphaltpiste, für die wir an zwei Posten jeweils eine Straßenbenutzungsgebühr entrichten, ist irgendwann zu Ende und wir biegen auf eine typisch mongolische Sandpiste ab. Hierzu sei angemerkt, dass die Mongolei (immerhin über vier Mal so groß wie Deutschland) bis vor wenigen Jahren nur über 3000 km Asphaltstraße verfügte. Das Straßennetz wird zwar weiter ausgebaut, aber wir rechnen eher mit mehr Pistenkilometern als mit Kilometern auf schwarzem glatten Asphaltband. Und gern würden wir auch mehr Straßenbenutzungsgebühr bezahlen als die jeweils 1000 Tugrik (zur Erinnerung, das sind 35 Cent), käme sie denn tatsächlich dem Straßenbau zu Gute. Denn auch wenn ein Asphaltband vor uns liegt, gähnen aus diesem oft metergroße Löcher, die ganze Autos zu verschlingen drohen.
Als wir denn dann gerade so gemütlich auf unserer Sandpiste dahin trudeln und die schöne Umgebung genießen, trauen wir bald unsere Augen nicht ... da, ein paar Meter weiter links, ist das nicht ein schwarzes Asphaltband? Wir halten an und erklimmen den kleinen Hügel. Und tatsächlich ... vor uns liegt neuer frischer Asphalt, gleich neben unserer Route, jedoch nicht in unserer Karte eingezeichnet ... So fahren wir dann noch ein Stück auf diesem guten Boden bis zur nächsten Siedlung, bis wir links abbiegen mussen und wieder den gewohnt schlechten Pistenboden unter den Reifen haben. Wir fahren noch tiefer ins Tal, suchen uns bald einen einsamen Baum und genießen - nein, unser Schaschlikfleisch ist leider verdorben - Rühreier mit Würstchen mit Weitblick ins Tal ...