Off the Road is off the Road

Wenn man in Albanien "off-road" fahren möchte, braucht man dafür keine Strecken zu suchen.


Man muss einfach nur von Shishtavec nach Kukes, von Kukes nach Arras oder auf der SH36 von Burell(SH36) nach Kruje fahren wollen.
Keine dieser Strecken sind irgendwelche Nebenstrecken, aber ebenso wenig alsphaltierte Straßen. Es sind Straßen, wie sie hier zum Teil noch normal sind, aber eben nur zum Teil und der Reihe nach :-)
Während wir in Vorraum der Skistation unser Frühstück zu uns nehmen, bekommen wir Besuch. Vier junge Männer aus Tirana in einem SUV erreichen die Skistation und parken genau hinter unserem Auto. Als erstes wird die Motorhaube geöffnet und mal nachgeschaut, was so riecht, die Karre ist einfach heißgelaufen auf der Steigung der letzten Kilometer. Wir wechseln ein paar Worte und da gerade wieder der Schäfer - der kein Wort englisch spricht - mit seiner Herde vorbeikommt, nutzen wir die Jungs auch als Dolmetscher, um vom Schäfer zu erfahren, dass es in dem Bergen sowohl Bären als auch mindestens ein Wolfsrudel gibt. Beides bekommt man quasi nie zu Gesicht, lediglich Spuren sind auszumachen.
Von der Skistation wollen wir nicht den Weg zurückfahren, sondern versuchen, den Rundkurs über die Hochebene im herrlichen Sonnenschein zu beenden. Also den Berg runter und dann links abgebogen. Auf 1800 m bahnt sich die Piste den Weg vorbei an herrlichen Bergwiesen, überall grasen Pferde, Kühe, Schafe und Ziegen. Der Weg ist holperig, teilweise ausgewaschen und mit tiefen Spurrillen versehen, aber alles null Problemo zu fahren. Auch Bunker finden sich wieder am Wegesrand, genau wie eine verlassene Militärstation, Stolleneingänge und gelegentlich kleinere Schneereste vom letzten Winter. Kaum wahrgenommen und ausgesprochen, kommen wir um die nächste Kurve und ein Schneefeld versperrt Teile der Fahrbahn.

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Wir steigen aus, schauen uns das ganze genauer an. Der freiliegende Teil der Fahrbahn ist gerade so breit wie das Auto....fast....also jedenfalls an den meisten Stellen. Wir haben die höchste Stelle dieser Strecke eigentlich schon passiert und erwarten daher keine weiteren Schneefelder, also schauen wir noch genauer, ob das ganze nicht doch passierbar ist. Lange Rede kurzer Sinn. Kurz vor dem Ende des Schneefeldes einmal kurz mit einer Reifenbreite auf den Schnee, und wir sind vorbei. Zwei Kurven weiter ist Schluss. Hier begräbt das Schneefeld die komplette Piste, so hoch den Hang hinauf, dass ein Weiterkommen mit unseren Möglichkeiten nicht machbar ist. Glücklicherweise finden wir zwischen den beiden Schneefeldern eine Wendestelle und müssen das schon hinter uns gelassen geglaubte und nun wieder vor uns liegende Schneefeld nicht im Rückwärtsgang passieren.

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Da zum einen der Weg jetzt schon bekannt ist und zum anderen die Gesamtstrecke jetzt deutlich länger wird als gedacht, erfolgt die Rückfahrt bis zur Gabelung nun etwas schneller. Jedenfalls bis Regen einsetzt:-). Der Regen setzt Teile der Lehm- und Sandpiste so unter Wasser, dass wir stellenweise durch die Spurrillen geführt werden, weil die Strecke schlammig wird. Als wir die Gabelung erreichen, stellt sich auch der Regen wieder ein und die restliche Strecke nach Kukes ist problemlos befahrbar. Zwischendurch zahlen wir Wegezoll in Form von Gummibärchen für zwei Kids die ihre kleine Schafherde an die Seite führen als wir uns an einer Engstelle entgegenkommen.
In Kukes angekommen, geht es ein Stück auf ashpaltierter Strasse entlang große roter Mohnfelder weiter, bevor wir irgendwann rechts abbiegen auf die "Straße" nach Arras - immer entlang am Schwarzen Drin-Fluss. Kurz nach dem Abbiegen kommt uns im Affenzahn ein Geländefahrzeug entgegen und wirbelt eine Menge Staub auf. Der Fahrer hupt und gestikuliert, keine Ahnung, was der will, wir fahren weiter. Die Piste ist eng, führt häufig am Hang entlang, ist aber ansonsten einwandfrei befahrbahr. Es geht zunächst abwärts und irgendwann haben wir das Gefühl, halb Albanien hatte sich im Tal getroffen. Ständig kommen uns Fahrzeuge entgegen, oft nicht einzeln, sondern mit zwei und mehr Fahrzeugen. Wer Südländer kennt, weiß, dass spätestens ab der Grenze Österreich/Italien der Rückwärtsgang nur dann in Frage kommt, wenn vorn ein Abgrund droht. Für uns bedeuten entgegenkommende Fahrzeuge daher in aller Regel Rangierarbeit. An einer der klapprigen und mit Löchern versehenen Holzbrücken, die wir überqueren müssen, machen wir eine Rast und geniessen das mittlerweile wieder schöne Wetter und die herrliche Bergwelt. Der Verkehr hat sich gelegt. Wir fahren weiter, kommen durch kleinere Ansiedlungen, sehen immer wieder Herden von Ziegen oder Schafen. Als wir in Arras wieder auf Asphalt kommen, fällt uns am Straßenrand ein Schild zu einem Gasthaus "Vladimir" ins Auge. Vom Haus her kommt schon ein Junge auf uns zugelaufen, noch während wir kurz diskutieren, ob wir weiterfahren sollen oder Schluß machen für heute. Als der Junge uns erreicht hat, wechseln wir ein paar Worte mit ihm - und sind wenige Minuten später auf der kleinen Farm von Vladimir und seiner Familie zu Gast. Eine gute Entscheidung - wir sind inmitten einer ganz herzlichen Familie, die uns auch mit einem sehr schmackhaften Abendessen bewirtet - natürlich erst, nachdem die heutige Feldarbeit erledigt und Kuh und Pferd im Stall sind. Die Hühner füttern wir, sie laufen eh schon um unser Auto herum.
In der Nacht heulen jede Menge Hunde in der Umgebung.

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Am nächsten Morgen gibt es ein einfaches Frühstück und einen Plausch mit Vladimir, der auch als im Museum im nahen Peshkopi arbeitet und alles über die Umgebung hier weiß. Auch er, der sein Gästehaus mit Unterstützung der deutschen Entwicklungshilfegesellschaft GIZ aufgebaut hat und von denen viel über das Tourismusgeschäft gelehrt bekommen hat, erzählt uns jedoch von den vielen Schwierigkeiten und der noch immer in Albanien herrschenden Korruption - es ist nicht schön zu sehen, wenn die Bemühungen, sich etwas aufzubauen und damit die Familie zu ernähren, nicht in Zufriedenheit enden, sondern in Frustration, die bei Vladimir trotz aller Herzlichheit und seinem Frohsinn durchaus zu spüren ist.

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Nach einem kurzen Abstecher nach Peshkopi, wo wir einige Einkäufe erledigen und auch das nahe Schwefel-Heilbad besichtigen, das keinesfalls westlichem Standard von Heilbädern entspricht, aber offenbar dennoch gut besucht ist, soll es heute der kürzeste Weg Richtig Westen, Richtigung Kruja, werden. Die Straße dorthin ist die SH36, in der Karte gelb für eine "gute Straße" verzeichnet, im Reiseführer ist allerdings von einem katastrophalen Zustand die Rede. Hmmm? Also besser fragen, wie die Piste tatsächlich befahrbar ist. An einer sehenswerten Eisenbrücke finden wir niemanden, also weiter. In einem kleinen Dorf werden wir fündig, zwei Männer am Wegesrand und mit Karte auf der Motorhabe und Übersetzer sind wir guten Mutes, dass die Piste doch nicht so katastrophal ist, dass sie für unseren Allradler nicht machbar ist. Am Ende ist alles kein Problem, wir kommen gut durch die herrlichen Berglandschaft, halten unterwegs an einem kleinen Friedhof, die hier in den Bergen scheinbar wahllos verstreut liegen, eine Pause, nachdem uns eine Kolonne von 15 Geländewagen aus Ungarn entgegenkam und erreichen Burrel.

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Nun ist es nicht mehr weit nach Kruja. Denken wir, denn wir haben wieder Asphalt unter den Reifen und es geht nur noch über einen Pass, der mit 15 km Pistenstrecke zu überwinden ist. Kaum gedacht, schon hört der Asphalt kurz vor einer Brücke auf. Hinter der Brücke wendet gerade ein Camper-Van mit deutschem Kennzeichen, wir warten. Nach dem Wendevorgang bleibt der Camper neben uns stehen, Scheiben werden heruntergelassen. Die Fahrerin des Campers fragt, ob wir die Strecke nach Kruja kennen und meint, nachdem ich verneine "Aber ihr schafft die?". Seltsame Frage, denke ich mir und antworte "Davon gehen wir aus". 15 km bis zu der Stelle, von der wir sicher wissen, dass ab dort Asphalt liegt. Es wird auf halber Strecke noch vorbeigehen an einer alten Militärstation, von der wir nicht wissen, ob diese noch belegt ist. Die Strasse schraubt sich über viele Kehren den Berg hinauf. Laut Karte wird es auf ca. 1200 m gehen. Nach 5 km Strecke fängt es an zu gewittern. Na toll, das haben wir uns ja gewünscht, Gewitter im Gebirge und noch Strecke vor uns. Der Regen nimmt zu, die Scheibenwischer schaffen das Wasser kaum von der Scheibe, in den Fahrspuren fließt uns das Wasser entgegen. An der Militärstation die kurze Überlegung zu warten, bis das Gewitter vorbei ist oder weiterfahren. Warten wäre insofern kein Problem als das wir alles haben was wir brauchen um im schlimmsten Fall dort zu nächtigen. Da der Regen etwas nachlässt, fahren wir weiter, noch 7 km, einfach auf der jetzt wassserreichen Piste stehen bleiben, ist auch nicht besonders erquickend? Eine Kehre nach der anderen, da die Piste militärisch genutzt wurde ist sie an schwierigeren Stellen mit STeinen befestigt. Noch drei km, die nächste Kurve. HALT. Das Stück Strecke welches wir jetzt einsehen können ist recht steil ist und nicht mehr zu erkennen ist, wie es "oben" weitergeht. Wir steigen aus und gehen im jetzt nachlassenden Regen zu Fuß 200m den Berg hinauf. "Offroad"-fahren bedeutet oft auch viel laufen:-). Oben angekommen können wir festhalten, dass die Strecke nicht mehr der Karte entspricht - es fehlen schlicht 2 Kehren und dadurch wird es recht steil und sehr rumpelig angesichts der dicken Steine - aber mit der Dicken zu bewältigen. Gut, dass der Camper-Van gewendet hatte. Niemals-nie-nich wäre da ein SUV, geschweige denn ein VAN, hochgekommen. Es brauchte Allrad, Untersetzung, Differentialsperre und vernünftige Bereifung, um dieses Stück zu überwinden. Durch die "ausgelassenen" Kehren stehen wir jetzt allerding verkehrt herum auf der Strecke und müssen noch einmal wenden. Ein kurzes Stück später stehen wir auf Asphalt. Zwei Kilometer früher als erwartet. Wir rollen bergab nach Kruja hinein, schauen uns beide Stellplätze an, entscheiden uns das Restaurant des einen und für die Nacht den anderen zu nutzen.